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Hotelanlagen an Traumküsten - was war davor? Eine noch unbekannte Schattenseite des Tourismus

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Neigt sich der Sommer dem Ende zu und purzeln die Temperaturen Richtung Gefrierpunkt, träumen viele Menschen von Sonne, Strand und einer Erholung oder einem Abenteuer in wärmeren Gefilden.

 

In Österreich sind wir privilegiert, unser Pass gewährt uns Zutritt zu nahezu allen Ländern auf der Welt. Anders sieht die Situation in vielen Ländern des globalen Südens aus. Neben dem oft fehlenden Kleingeld muss die Bevölkerung kostenintensive Visa für viele Länder beantragen, die obendrein viel Zeit in Anspruch nehmen. Aber das ist eine andere Geschichte.

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Dieser Artikel hat das Ziel, einen Blick auf die Schattenseite des Tourismus zu werfen. Landraub und Vertreibung von Indigenen assoziieren wir mehr mit internationalen Großkonzernen, die im Bergbau oder der Holzindustrie tätig sind, aber kaum mit der Wohlfühlbranche Tourismus.

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Mit Jessica aus Honduras, die in die Volksgruppe der Garínagu (Garifuna) hineingeboren wurde, zeige ich den Kampf zwischen David gegen Goliath näher auf und gebe Tipps, welchen Einfluss wir als Urlauber*innen ausüben können.

Viele Fragen tauchen in meinem Kopf auf, wenn ich mich kritisch mit der Tourismusbranche auseinandersetze.

 

  • Wie hat die Region, die Küste vor dem Bau des Hotels ausgesehen?

  • Ist eine lokale Fischereigemeinde vertrieben worden, die keinen Zugang mehr zum Meer hat?

  • Wie viele Hotelkomplexe gehören einem ausländischen Investor, einer Regierung, die Menschenrechte mit Füßen tritt, oder dem Militär?

  • Arbeiten Einheimische nur in niedrig qualifizierten Bereichen und Ausländer*innen in Spitzenpositionen?

  • Wie viele Ressourcen zapft das Hotel an, um zum Beispiel Pools, Golfplätze und Co zu bewässern?

  • Aber auch: Wie viele Indigene wurden oder werden noch immer aus Nationalparks vertrieben?

 

Die Antworten sind anders als die Hochglanz-Reiseprospekte.

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Allein in Indien sind in den letzten 50 Jahren mindestens 100.000 Menschen aus Nationalparks vertrieben worden, und in Bali verbraucht der Tourismussektor 80 Prozent der Süßwasserressourcen. (Quelle: Newsroom)

Die Liste ließe sich noch über viele Seiten ergänzen….

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Alexander Neef ist Professor für Entwicklungsforschung an der University of Auckland und beschäftigt sich u.a. mit Vertreibung durch Tourismus und Landraub. 2019 veröffentlichte er zu diesem Thema eine Studie und 2021 ein Buch, das über 20 Fallstudien weltweit näher beschreibt. Nicht nur Stranddestinationen finden sich darin, sondern auch Städte wie Cuzco in Peru oder Buenos Aires in Argentinien.

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Als Beispiel für diesen Artikel habe ich mir Jessica aus Honduras rausgepickt.

Sie lebt an der Karibik-Küste, genauer gesagt an der Bucht von Tela, welche für uns Europäer*innen der Inbegriff vom Paradies ist: Sandstrände, Palmen und türkisblaues Meer.

Für die dort lebenden Menschen hat das vermeintliche Paradies im Laufe der Jahre viele Kratzer und Schrammen abbekommen.

 

Mithilfe der Organisation OFRANEH setzt sich Jessica mit Leib und Seele dafür ein, dass die Garínagu nicht mit falschen Versprechungen von ihrem Land weggelockt oder illegal vertrieben werden, damit internationale Hotelkonzerne dort Resorts bauen und Strände privatisieren. Sie kämpft dafür, dass die Traditionen der Garínagu mit ihren Tänzen, bunten Kleidern usw. nicht als kulturelle Attraktion „verkauft“ werden.

 

Das Volk der Garínagu ging aus einer Vermischung ehemaliger Sklaven aus Westafrika mit indigenen Menschen aus der Karibik hervor.

 

Jessica, warum ist die derzeit praktizierte Art von Tourismus für euch keine Entwicklungschance?

Weil wir von internationalen Konzernen und der Regierung hintergangen werden.

Versprechen in Bezug auf Einkommen, Beschäftigung oder Partizipation werden nicht eingehalten.

Die Besitzverhältnisse sind in der Regel so, dass der Staat 51 % und die Investoren 49 % von einem Hotel erhalten.

Von den versprochenen 7 % Beteiligung, die ja ohnehin ein Tropfen auf den heißen Stein wäre, wenn man bedenkt, dass wir dieses Land seit 200 Jahren besiedeln und pflegen, hat die Garínagu Gemeinschaft noch nie etwas erhalten.

Im Gegenteil, von den derzeit fünf touristischen Komplexen haben nur drei Garínagu-Personal in niedrig qualifizierten Bereichen, wie z.B. dem Reinigungspersonal angestellt.

Durch die verbreiteten All-Inklusiv Angebote der Hotels gibt es auch keinen Grund, dass Tourist*innen die Resorts verlassen und Geld in den umliegenden Städten ausgeben.

 

Wo finden sich die Schwierigkeiten?

Probleme entstehen, wenn sich Firmen und Konzerne Land aneignen wollen, das Leben der Gemeinschaft beeinflussen oder stören und ohne lokale Partizipation vorgehen bzw. keine Gegenvorschläge zulassen, wie gemeinsame Entwicklung aussehen könnte.

Ein Schritt in die richtige Richtung ist, dass das ZEDE Model (Sonderzonen für Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung) rückgängig gemacht wurde.

Unter ZEDE versteht man autonome Regionen in Honduras mit eigenen Gesetzen, die von internationalen Investoren verwaltet werden.

 

Wie hat sich das Leben der betroffenen sieben Garínagu Communities verändert?

Durch die Privatisierung der Strände verlieren wir den Zugang zum Meer, wir dürfen das Land weder durchqueren noch betreten. Unseren Fischern und uns allen wird dadurch eine wichtige Lebensgrundlage entzogen.

Alle sieben Gemeinschaften sind sich einig, dass sie keines der Projekte in dieser Form wollen. Wenn wir aber die Ausbeutung der Communities ansprechen, heißt es, die Afro-Hondurischen Ethnien sind gegen Entwicklung und Modernisierung.

 

Wie ist deiner Meinung nach eine nachhaltige Entwicklung möglich?

Wir sind der Meinung, dass Entwicklung von uns herauskommen und wachsen muss. Seit wir an der karibischen Küste leben, haben wir immer Menschen willkommen geheißen. Privatbesitz war ein Fremdwort.

Eine nachhaltige Entwicklung ist möglich, wenn sich Unternehmen nicht nur auf kommerzielle Faktoren konzentrieren, sondern sich gemeinsam überlegen, wie ein respektvoller Besuch aussieht.

Wie sind die Rahmenbedingungen, wo sind die Grenzen?

Glücklicherweise gibt es bereits vereinzelt Orte in Honduras, wo nachhaltiger Tourismus Fuß fasst. Auch wir sind offen für einen fairen und verantwortungsvollen Tourismus und wir glauben fest an ein Kollektiv.

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Das Interview habe ich aus der Online-Veranstaltung der Naturfreunde Internationale: „Urlaub machen, wo Einheimische vertrieben werden“  im Frühjahr 2022 aufgezeichnet. 

 

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Sensibilisierung schön und gut, nur wie kann ich als Reisende*r meinen Teil dazu beitragen, dass ich nicht indirekt Vertreibung unterstütze?

Prof. Neef gibt in seiner Studie „Tourism, Land Grabs and Displacement“ folgende Tipps:

 

  • Geben Sie kleinen und familiengeführten oder gemeindebasierten Tourismusunternehmen den Vorzug vor großen und international geführten Hotelkomplexen.

 

  • Bezeichnungen wie „Ökotourismus“ oder „Ethischer-Tourismus“ alleine garantieren nicht, dass die Umwelt, die Kultur und die Rechte indigener Gruppen und anderen lokalen Gemeinschaften von Tourismusbetrieben respektiert werden.

 

  • Fragen Sie nach den Besitzverhältnissen in Ländern mit schwacher oder schlechter Landverwaltung und nach Konflikten in Regionen, in denen das Militär oder paramilitärische Kräfte einen starken Einfluss auf den Tourismus haben.

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