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Zu schön, um wahr zu sein? Ein Blick hinter paradiesische Kulissen

 

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Haben Sie schon einmal nach den schönsten Stränden der Welt gegoogelt? An allen Ecken der Welt wartet ein vermeintliches Paradies darauf, von uns entdeckt zu werden.

Wie hat dieses Paradies wohl ausgesehen, bevor es auserkoren worden ist, unter den Top-Ten gelistet zu werden? Wie wird dieses Paradies in Zukunft aussehen, wenn der besagte Strand westliche Kriterien nicht mehr erfüllen kann?

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Boracay - Von Robinson Crusoe Feeling bis Overtourism 

Ein Musterbeispiel für eine in den Himmel gehobene Insel mit dem angeblich schönsten Strand (der knapp vier Kilometer lange White Beach) ist die gerade einmal sieben Kilometer lange und an der schmalsten Stelle einen Kilometer breite Insel Boracay auf den Philippinen. Eine von über 7.000 Inseln im Archipel.

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In den 1970er Jahren tauchte diese Insel erstmals auf der touristischen Landkarte auf (finden Sie hier ein paar Fotos von anno dazumal), 2018 wurde sie seitens der Regierung für sechs Monate gesperrt. Der Andrang von Besuchern war so hoch, dass es nicht mehr möglich war, die ökologischen Konsequenzen zu bewältigen.

 

Was ist in den letzten vierzig Jahren passiert? Auf den folgenden Seiten nehme ich Sie auf eine besondere Reise mit, eine Zeitreise.

Tauchen wir gemeinsam in ein “worst case“ Szenario einer Destinationsentwicklung ein und erhaschen dabei am Schluss einen Lichtblick: Ein Projekt, in dem Tourismus im Einklang mit einer Indigenen Bevölkerung möglich ist.

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Dunkle Wolken am Himmel, aber es gibt einen Lichtblick!

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Günter Moser ist Mitbegründer der Conscious Tourism Group,  Direktor der Berufsschule für Handel und Reisen in Wien und seit seiner ersten Südostasienreise (1994) Philippinen-Liebhaber. 

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Wunderschöne Strände, die Diversität der Landschaft und die Gastfreundschaft sind hauptverantwortlich für Günters Philippinen-Obsession. Im Zuge seiner rund zwanzig Reisen entstanden enge Freundschaften und er engagierte sich bei verschiedensten sozialen Projekten vor Ort. Boracay hat er zum ersten Mal 2003 besucht, seither verfolgt er die touristische Entwicklung der (ehemaligen) Trauminsel.

 

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Günter, ist Boracay mit dem Aufstieg und Fall einer Berühmtheit zu vergleichen?

In der Tat gibt es die eine oder andere Parallele. Von reiselustigen Menschen entdeckt, wurden einfache und landestypische Bambus- und Nippahütten erbaut. Die Schönheit der Insel sprach sich mit der Zeit auch ohne Instagram und Social-Media-Kanäle herum, und Boracay wurde von ausländischen Investoren entdeckt. Der Startschuss für die fortschreitende Verbauung war abgefeuert. Immer mehr internationale Investoren und Hotelketten haben große Anlagen errichtet (von landestypischen Bambushütten weit entfernt) und eine rasante Versiegelung des Bodens bewirkt.

 

Aus der beschaulichen Insel, die 1991 an das öffentliche Stromnetz angeschlossen wurde, entwickelte sich eine Stadt mit einem Wachstum ohne Augenmaß, Rücksicht und Zukunftsorientierung.

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Neben hunderten Unterkünften (die Welt schrieb in einem Artikel von 4.500 Hotels und Lokalitäten die vor 2018 vom Tourismus lebten) schossen Geschäfte, Nachtclubs, Bars, internationale Restaurants und Fastfoodketten wie Pilze aus dem Boden. Die Infrastruktur, wie zum Beispiel eine Kanalisation, wurde stark vernachlässigt.

 

Die Einwohnerzahl stieg auf über 30.000 Menschen, bei einer Fläche von ca. 10 Quadratkilometern.

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Die Insel entwickelte im Laufe der Jahre eine große Eigendynamik, in der jeder vom Kuchen mitnaschen wollte. Ist sie doch perfekt geeignet für alle Wassersportarten, zum Tauchen oder einfach nur um seine Flitterwochen oder den Familienurlaub zu verbringen. Reiche Philippinos sowie Besucher aus Australien, Nordamerika, Europa und Asien feierten bis zum Umfallen auf der Insel. 2017 verbrachten mehr als zwei Millionen Menschen ihren Urlaub im „Schlaraffenland“.

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Boracay 2008. Copyright: Günter Moser

Eine Entwicklung, die sich sehr rasch rächte. Riffe wurden in Mitleidenschaft gezogen und die Biodiversität an Land und zu Wasser nahm ab. Starke Regenfälle führten bereits nach spätestens 15 Minuten zu Überschwemmungen, und da Abwässer bis vor ein paar Jahren direkt in das Meer geleitet wurden, entwickelte sich ein Algenteppich, der Touristen eher vertrieb als anzog.

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Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um den fortschreitenden Prozess umzukehren?

Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte sperrte 2018 die Insel ein halbes Jahr für Besucher*innen. Er selbst nannte das Meer eine Kloake.

Mittlerweile hat Duderte seiner berüchtigten Art und Weise entsprechend medienwirksam aufräumen lassen und die Insel ist laut Vertreter*innen der Regierung und des Departments of Tourism angeblich wieder in „paradiesischem Zustand“.

Wenn ich persönlich Freunde nach ihren Eindrücken zu den Entwicklungen frage, nehme ich eine große Einschüchterung und Unterdrückung der eigenen Meinungsfreiheit in der Bevölkerung wahr. Eine Tatsache, die aufgrund der politischen Lage verständlich ist und mich persönlich sehr bedrückt.

 

 

Zusammengefasst: Illegale Bauten, vermüllte Küstenabschnitte, Overtourism und die fehlende Infrastruktur wurden dem Paradies zum Verhängnis. Wer profitiert deiner Meinung nach vom Tourismus auf Boracay?

Es profitieren vorwiegend Großinvestoren, internationale Hotelketten und wenige sehr reiche Philippinos. Selbst Familien, die in den 1980er Jahren den Tourismus mitaufgebaut haben, besitzen schlechte Karten. Manche quält ein schlechtes Gewissen, den Ball überhaupt ins Rollen gebracht zu haben.

 

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Danke für deine Eindrücke, lieber Günter!

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Umsiedelung Indigener

Boracay ist ein Beispiel, das leider nicht einmalig auf dieser Welt ist. Ist eine Insel „verbraucht“, suchen sich Investoren das nächste Paradies. Nach dem Motto: „Hinter mir die Sintflut.“ Kurzfristiger Profit und Gewinnmaximierung ist auch im Tourismus Alltag. 

 

Wer hat vor den Resorts auf der Insel gewohnt? Im Falle von Boracay war es das Volk der Ati. Laut einem Artikel von Tourism Watch dauerte es mehr als ein Jahrzehnt, bis die Ati einige Hektar Land im Hinterland erhielten.

 

Viele Menschen assoziieren die Vertreibung von Indigenen vor allem mit anderen Wirtschaftszweigen und nicht mit der „Wohlfühl-Branche“ Tourismus.

Im Jahr 2019 wurde von der Universität Auckland dazu eine 140 Seiten lange Studie veröffentlicht, die aufzeigt, dass im Zuge von Tourismusprojekten Menschen, oft nicht freiwillig, umgesiedelt wurden.

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Welcher Wegweiser führt mich wohl zu einem Projekt, bei dem sich kein „Top-Down“ Tourismus etabliert hat? Wechseln wir dazu den Kontinent und blicken nach Südafrika.

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Im Frühling 2021 hatte ich im Zuge meines Projektes „Entdecke die Vielfalt der Menschen“ die Ehre Hetta, eine junge San-Angehörige, zu interviewen. Sie absolvierte erfolgreich eine Ausbildung in !Khwa ttu.

Ziel der Ausbildung ist es, jungen San-Angehörigen eine Aussicht auf eine selbstbestimmte Zukunft zu ermöglichen.

 

Egal ob sie danach studieren, sich bei anderen Unternehmen bewerben wollen oder in ihre Heimat zurückkehren, um dort ein eigenes touristisch-kulturbezogenes Unternehmen zu gründen. Neugierig geworden? Lesen Sie hier das ganze Interview.

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